DIE ENTWICKLUNG DER MODERNEN KLEINBILD-SLR-KAMERA


Update 25. November 2009   (c) Frank Mechelhoff


PRAKTIFLEX (1939) - CONTAX S (1948) - EXAKTA VX (1954) - PENTAX (1957)

Teil 2 (zurück zum Teil 1)

3.) EXAKTA VAREX/ VX (1951)


Exakta VX

Die Firma IHAGEE ist eins der Aushängeschilder der DDR für HiTech und Exportwirtschaft und wird gut mit Rohstoffen versorgt auch wenn sie eigentlich einem vor den Nazis geflohenen Holländer gehört (der das Werk nie zurückerhalten wird).
Die Weiterentwicklung kommt langsam zum Stillstand. Wie überall in der DDR-Wirtschaft wird kaum in neue Anlagen und Techniken investiert und vom Substanzverzehr gelebt. Auch mit der Exakta geht es langsam aber sicher bergab. Ihre Tage als unangefochtene Nr. 1 der Kleinbild-SLR-Technik sind gezählt.

Xenon

Serier I
Serie I

Oberes Bild: Schneider Xenon 1.9/50mm Automatik f. Exakta, Serie I (Mitte 1954); Vorgängerversion zu meinem Objektiv (Messing verchromt, 400g)
1951 setzt weltweit die ostdeutsche EXAKTA VX der IHAGEE Werke Dresden die Standards der SLR Technik. Sie ist die ausgereifteste ihrer Klasse und teurer als eine Schraub-Leica. Im Prinzip ist sie immer noch dieselbe Camera wie die KINE-EXAKTA von 1936, die ihrerseits eine Weiterentwicklung der Exakta für 127er (4.5cm breiten) Rollfilm (Exakta-A) von 1933 ist. Das sieht man am etwas altertümlichen Design. Trotzdem ist die Verarbeitung der Camera immer noch spitzenmässig. Dafür wiegt sie etwas mehr und ist größer als die Konkurrenz, hat auch in der Bedienung einige Eigentümlichkeiten.
Sie ist die erste Kleinbildcamera der Welt mit Filmtransporthebel anstatt Kurbelrädchen. Dieser ist auf der linken Cameraseite angebracht, ebenso der Auslöser und das Verschlußzeitenrad für Kurzzeiten (-1/1000s). Ein weiteres modernes Bedienungs-Feature ist die abklappbare Rückwand zum Filmeinlegen. Langzeiteneinstellung und Selbstauslöser befinden sich rechts, ebenso die Filmmerkscheibe.
Diese Anordnung hat man anscheinend gewählt um Patentstreitigkeiten mit der eifersüchtigen Wetzlarer LEITZ-Werken aus dem Weg zu gehen. Als ulkigste Eigentümlichkeit hat die Exakta einen Filmabschneider um bei Verwendung von Filmpatronen teilbelichtete Filme entnehmen zu können.

Exakta
Seit 1951gibt es Wechselsucher für die Exakta, das Sucherprisma kommt erst etwas später heraus. Dieses ist (wenn man Glück hat eins zu bekommen) optisch wesentlich besser und heller als das der CONTAX-D und verfügt als Weltneuheit über einen (verglichen mit heutigen dieser Art, recht großen) Schnittbildentfernungsmesser.

Exakta-OBJEKTIVE:
Kein bedeutender Hersteller kann es sich leisten auf Objektive im Exakta-Bajonett zu verzichten. Leider hat es nur 37mm Innendurchmesser (verglichen mit 40,5mm bei M42) und ist deswegen für Blendeninnenübertragung (Springblende) etwas zu klein. Hersteller wie Carl Zeiss Jena und Schneider-Kreuznach beauen daher Ansätze an ihre Objektive die die Blende auf den voreingestellten Wert schließen und dem Cameraauslöser vorgeschaltet sind. Eine besonders elegante Lösung ist das nicht; der Auslöseweg verlängert sich erheblich.
Im Oktober 1954 baut Schneider-Kreuznach das erste schwarz lackierte Leichtmetallobjektiv, ein 1.9/50mm Xenon. Zusammen mit dem Meyer-Görlitz Primoplan 1.9/58mm das lichtstärkste SLR Standardobjektiv der Welt - es gilt als das modernere Design und schärfere der beiden. Entwickelt von A.W. Tronnier kurz vor dem Krieg, der später hauptsächlich für Voigtländer arbeitet. Zeiss-West und Leica wären in diesen Jahren um ein solches Standardobjektiv froh!
Trotz des Druckblenden-Aufsatzes wiegt das Objektiv nur 165g. Die Naheinstellgrenze beträgt 75cm.
Es sind die besten Jahre für den Optikhersteller am Fuße des westdeutschen Hunsrück. Bessere werden nicht mehr folgen. Man zählt mit den ostdeutschen Carl Zeiss Werken und Voigtländer zu den besten drei Objektivherstellern der Welt. In zwei Jahren baut man 2 Mio. Objektive.
In den Jahren die folgen, werden japanische Firmen, allen voran NIKON, nicht bloß mit ihren modernen bedienungsfreundlichen Cameras, sondern auch den leistungsstarken leichtgewichtigen schwarzen (dann eloxierten) Objektiven den Deutschen Herstellern das Fürchten lehren!
Das lichtstärkste Standardobjektive zur EXAKTA (58/1.2)


Exakta  
LINKS :
Pacific Rim Camera http://www.exakta.org/ Hugo Ruys Exakta Site
Captain Jack's Exakta page Michael Lukoszek: Dresdner Cameras Klaus Eckard Riess
Linksammlung
Exakta-Pages


Exakta

4.) PENTAX (1957)

PENTAX (Asahi Optical) behauptet von sich selbst als "Vorlage" zur ersten Asahiflex bloß die Reflex-Korelle (eine 6x6 SLR aus den frühen Dreissigern) gekannt zu haben. Der Vergleich mit den beiden vorgenannten Cameras zeigt dass das nicht so ganz stimmen kann. Wie mir scheinen will, kannten die Japanischen Designer den Markt sehr genau.
Die erste ASAHIFLEX (1952) hatte noch einen Lichstschachtsucher und einen Rückkehrspiegel wie die  Praktiflex, war aber zierlicher, und bereits im Finish wesentlich besser. Hierin, wie im Schlitzverschluss, ähnelte sie eher der LEICA. Ich vermute man hat bewusst angestrebt eine Camera zu bauen die nicht grösser war als die 3 Jahre zuvor vorgestellte CONTAX-S. Die Ähnlichkeit in den Abmessungen können kaum auf Zufall beruhen.

Asahiflex 1954 war dann Zeit für die erste japanische Innovation auf dem Camerasektor - dem ersten Rückschwingspiegel mit Zwangskupplung (Asahiflex-II). Hier zeigte sich erstmals die Unbeirrbarkeit japanischer Ingenieurskunst - während man in Dresden die guten Ansätze der Praktflex 15 Jahre lang nicht weiterentwickelt hatte....

In JAPAN machte man indessen zwar ingenieursmässig große Fortschritte, aber es dauerte noch bis 1956/ 1957 bis man selbstbewusst genug war den Cameras auch desginmässig ein eigenes Gesicht zu geben, das nicht mehr an die "deutschen Vorbilder"  erinnerte.

Bezeichnenderweise gelang dies den drei führenden Japanischen Cameraherstellern mehr oder weniger gleichzeitig:


Den Namen PENTAX hatte man kurz zuvor von der VEB PENTACON erworben - nicht der klügste Einfall dieser ostdeutschen Firma... Und die Pentax gibt sich - hier ähnelt sie wiederum der Praktiflex - als technisch nicht übertriebene, einfache, leicht bedienbare Camera. So fehlt zB. bei allen Modellen bis 1962 ein Selbstauslöser.

Von den positiven technischen Eigenschaften bietet die PENTAX von 1957:
Und die Camera wurde im atemberaubend schnellen Tempo weiterentwickelt, die alten Modelle teils im Jahrestakt eingestampft und durch verbesserte ersetzt.
Von der Pentax S-Baureihe wurden zwischen 1957-1963 etwa 340.000 Stück produziert und verkauft - doppelt soviel wie von der Contax D-Reihe im halben Zeitraum. In den drei Jahren 1957-1960 war es der Japanischen Cameraindustrie gelungen mit den Deutschen qualitativ und quantitativ gleichzuziehen. Dass die Deutschen die Herausforderung nicht angemessen beantworteten, war letztlich Ursache ihres Untergangs 10 Jahre später.

Praktiflex-Pentax

Abmessungen der drei SLR's im Vergleich


Gewicht (ohne Objektiv) in Gramm
Gehäuselänge in mm (mit Rückdeckelmechanismus, ohne Tragösen)
Gehäusebreite (ohne Spiegelkasten)
Gehäusehöhe (ohne Bedienelemente, Sucher/ Prisma)
Kine-Exakta (1936)
727
152
46
65
Praktiflex (1939)
580
154
36,0
72,0
Contax D (1953)
554
147
33,6
68,4
Pentax (1957)
560
145
33,0
68,0

5.) OBJEKTIVE

Objektive
Zweiumal M42: Carl Zeiss Jena Biotar 2/58 neben Pentax Takumar 2.2/55mm (das 2/58 und das 1.8/55 sind auch nicht größer!)

Man kann es im Nachhinein nur als mutig ansehen, dass Asahi Optical 1957 auch das M42 Schraubgewinde einführte. Man orientierte sich schlicht am besten der Welt auf dem Gebiet der Kleinbild-SLR-Objektive, und dieser Standard hieß schlicht CARL ZEISS JENA. Westdeutsche SLR's gab es schließlich noch nicht.
Als PENTAX sich 20 Jahre später vom Schraubgewinde verabschiedete und das "K-Bajonett" einführte, blieb man den Traditionen "offener Standards" übrigens treu und verzichtete auf einen Patentschutz! Kein anderen Camerahersteller war vergleichbar selbstbewusst!
Wie wollte man nun Kunden überzeugen, PENTAX Objektive zu kaufen? Man orientierte sich am äusseren Design der besten Objektive und verbesserte sie hier und da. Z.B. wurden die Aluminiumfassungen schwarz eloxiert, damit sie durch die Benutzung (Schweiß) nicht Schaden nehmen.
Vom optischen Design her, orientierte man sich wiederum am modernsten verfügbaren, d.h. nach einer "Experimentierphase" 1957 mit drei grundverschiedenen Designs entschied man sich für einen ULTRON- ähnlichen Sechslinser, den man in drei Ausprägungen (mit f/2.2, 2.0 und 1.8 Anfangslichtstärke) baute - kein "düsteres" Tessar mit f/2.8 als Einsteigerobjektiv wie die deutschen Firmen dies noch bis in die 70er Jahre anboten. Obwohl man das mit dem hellen Sucher noch am besten fokussieren gekonnt hätte. Vielleicht war auch die kürzere optische Baulänge mit-entscheidend: Der PLANAR/ BIOTAR-Typ mit klassischen 6 Linsen in 4 Gruppen war einfach zu groß und hätte keine gute Proportion mit der zierlichen Camera abgegeben. ZEISS-IKON DRESDEN hatte
um 1948 herum mit dem zierlichen 2/57 Sonnar übrigens etwas ähnliches versucht, aber aus irgendwelchen Gründen nicht zur Serienreife gebracht. Vermutlich war im "Sozialismus" für solch dekadente Design-Ideen kein Geld locker zu machen. Wieso denn auch: Das BIOTAR, Design von 1936, erfüllte den "Plan" (Lichtstärke und Brennweite) ja eben so gut..? Tja, so machten dann andere am Weltmarkt das Geschäft.

Sonnar 2/57
Sonnar 2/57mm für SLR (M42) "Zeiss Ikon Dresden": Nur 5 Exemplare bekannt

Sonnar 2/57
beide Photos (c) Alexander Schulz

Contax - Pentax
Contax-D mit Biotar 2/58 neben Pentax mit Takumar 2.2/55mm


Gewicht in Gramm (mit Rückdeckel)
Linsen/ Gruppen
Länge (bis Kameraauflage) in mm
Max. Durchmesser
Filtergewinde
Anastigmat Victar 1:2.9 f=5cm (Ludwig/ Dresden)
110g
3 / 3
21
41,5
-
Xenon 1.9/50mm (1954 - Exakta mit Druckblende)
164g
6 / 4
41,2
57,2
46
Xenar f:4,5 F=10,5cm Schneider-Kreuznach
386g
4 / 3
85
53
34?
Carl Zeiss Jena Biotar 2/58mm
200g
6 / 4
45
60
49
Takumar 1:2.0 f=58mm (Asahi Optical)
188g
6 / 4
33,5
54
46

Exakta VX

Ostdeutsche neben Japanischer Camerabaukunst - Barock gegen Bauhaus - Exakta Varex VX (1954) mit hochmodernem schwarzen Leichtmetall- Schneider Xenon gegen Pentax S (1958) mit dem lichtstärksten Objektiv der Reihe (Auto-Takumar 1.8/55mm). Gewichts- und deutliche Handlingvorteile für die Pentax.

Biotar 1.5/75mm

Biotar
Eine der besten Gründe für den "User" eine EXAKTA zu kaufen ist, um das legendäre BIOTAR 75/1.5 von CARL ZEISS JENA daran zu verwenden. Das Objektiv gab es am längsten, und gibt es heute noch am häufigsten, mit Exakta-Anschluss. Für den Aufpreis den dieses Objektiv in M42 heutzutage kostet, bekommt man locker eine schöne EXAKTA...

Es ist eins der bestgeeignetsten Objektive für "weiche" (hautfreundliche) Portraits, wenn bei offener Blende verwendet. Wie das Biotar 58/2.0 mit dem es konstruktiv eng verwandt ist, ist es ein ausgesprochener Warmzeichner (mit Tendenz zum Rotstich), was auch an der tiefblauen T-Vergütung liegen kann. Das Bokeh erfüllt allerhöchste Ansprüche. Weiter abgeblendet, etwa auf f/2.8, lassen Kontrast und Schärfe eine uneingeschränkte Verwendung auch heutzutage zu.
Es war etliche Jahre das lichtstärkste Teleobjektiv der Welt, ist aber keineswegs unhandlich und schwer an der EXAKTA, sondern schön ausgewogen. Mit dem hellen Sucher der EXAKTA ist es gut zu fokussieren - für ein Objektiv dieser Größe und dieses Alters geradezu sensationell leichtgängig (der Frontteil dreht dabei nicht mit); ich hatte damit im Nahbereich weniger Focus-Ausrutscher als mit manch anderen hochlichtstarken Teleobjektiven.

Und die Qualität der damit gemachten Bilder hat mich dann wirklich überrascht...

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