Frühe lichtstarke Objektive für 35mm und andere Kleinbildformate                                                                 
update  16. Jan. 2010
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Texte (c) Frank Mechelhoff 2005-2010

Ermanox
Ernemann Ermanox-Camera mit Schlitzverschluss und Ernostar f/2 100mm (Planfilm 4,5x6cm) - picture: Pacific Rim Camera

Planar, Sonnar, Tessar, Biotar - der Objektiv-Konstruktonsnamen ist Legion, und oft bezeichnen verschienene Namen dasselbe, oder auch ein Name steht für unterschiedliche Designs - jeder Hersteller wendet die Bezeichnungen nach eigenen Gutdünken an - oft genug sind sie geschützte Produktnamen und Patente - ein Großteil von ihnen sind auch ausgelaufen und Objekte allgemeinen Gebrauchs und Weiterentwicklung der optischen Designer der ganzen Welt - unendliche Verwirrung ! Entwicklung von optischen Geräten fusst auf den Erkenntnissen der Vorgänger die ihr Geschäft durch Patente abzusichern suchen - dieses Streben ist älter als die Fotografie. Erst wird "kopiert", dann verbessert. Ich will hier nur versuchen ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, und widme mich daher nur dem Themenkreis "Lichtstarke Objektive für 35mm-Film". Es ist ein Gebiet auf dem insbesondere die Deutschen Designer zwischen 1890-1955 große Taten vollbrachten - bevor sie von den Japanern aufgemischt wurden.
Dabei zählt zum "35mm Film" sowohl das Kleinbildformat (effektives Bildformat 24x36) als auch der Kinofilm (ca. 16x22) und Röntgenfotografie. Wegen ihrer überragenden Bedeutung für die spätere Entwicklung, vor allem des Sonnars, nehme ich auch die Ermanox (4,5x6cm) noch mit auf, die mit Fug und Recht als erste Handcamera für "available light" (und somit Vorläufer der Kleinbild-LEICA und CONTAX) gilt.



I. TRIPLET abgeleitete Objektive


Der anastigmatisch korrigierte Dreilinser (Cooke-Triplet) wurde 1894 von Taylor entwickelt und entwickelte sich dank seiner Einfachheit und guten Korrektionsmöglichkeit rasch zu einem beliebten Objektiv. Die Lichtstärke betrug anfangs f/6.8, dann f/4.5 und konnte in den späten 1930'er Jahren bis f/3.5 gesteigert werden, nach dem Krieg auch bis f/2.8. Im Kleinbildbereich genügt der Dreilinser aber nur bescheidenen Ansprüchen.
Die wesentlichste Modifikation ist das vierlinsige Tessar (1902, Rudolph bei Zeiss) - eine Bauweise die ich wegen ihrer geringen Lichtstärke von max. f/2.8 hier nicht behandeln möchte - Diagramm hier.
Eine andere Modifikation, die auf Abbildungsgüte, nicht auf hohe Lichtstärke ausglegt war, ist das fünflinsige Heliar von Voigtländer.

Ia) ERNOSTAR Typ

Triplet Gundlach Ernostar
ursprüngliches Triplet (Dreilinser) Gundlach Ultrastigmat Basic Ernostar type
 (DE458499 - 1924)
Ernostar 1922 ernostar Ernostar_1925
Früher Ernostar f/2 Typ:
6 Linsen / 4 Gruppen (DE401275-1922 )
Ernostar f/2 (1923):
6 Linsen / 4 Gruppen (DE401274-1922 )
Später Ernostar f/2 Typ:
5 Linsen / 4 Gruppen (DE428657-1925 )

Charles M. Minor (Chicago) machte 1916 einen Versuch das Triplet lichtstärker zu machen durch Einfügen einer Positivlinse in den ersten Linsenzwischenraum. Diese Objektiv wurde von Gundlach als f/1.9 Ultrastigmat (40, 50, 75mm) produziert für Filmcameras (Bewegtbilder) und zeichnete bloß einen schmalen Bildwinkel aus.
In 1923 entwickelte Ludwig Bertele - ein 23 Jahre junger Designer bei Ernemann (Krupp-Ernemann Kinoapparate AG) in Dresden - aus diesem Entwurf, indem er die beiden Positivlinsen durch verkittete Elemente ersetzte, das erste Objektiv für Standbildcameras mit Lichtstärke f/2.0. Ein für die damaliger Zeit (und noch nicht vorhandene Vergütungstechnik) enorm mutiger Entwurf, der noch dazu mit einer passenden Camera - es war die erste die für Bilder unter schlechtem Licht, Theater- und Nachtaufnahmen geeignet war - gut vermarktet wurde.

Ermanox-User
In den 1920er Jahren ermöglichten Ernostar-Objektive erstmals Fotografien ohne Stativ unter schlechter Beleuchtung, bei Nacht und unbemerkte Aufnahmen.

Links: Der Bildjournalist Dr. Erich Salomon (berühmt für seine ungestellten Aufnahmen u.a. von Gustav Stresemann) verwendet in den späten 1920er Jahren eine Ermanox und schafft mit seinen Bildern einen ganz neuen Presse-Stil.

Der französische Außenminister Aristide Briand: "Was ist schon eine internationale Konferenz, wenn Salomon nicht dabei ist..."

Erich Salomon wurde 1944 in Auschwitz ermordet.


Der Ernostar-Typ wird seit Mitte der sechziger Jahre immer mal "wiederentdeckt", hauptsächlich als Teleobjektiv. Das excellente Zeiss 2.8/135 für die Contarex (1964) ist ein solcher,  ebenso das Zeiss 2.8/180mm zur Contarex (1966), das  Zeiss/Rollei Sonnar 2.8/85 (1970), wie auch das 2.8/40mm Sonnar der Rollei 35S (1974), das Contax-G Sonnar und schließlich das 2.8/90 Konica M-Hexanon. Man muß aber zugeben dass Zeiss als "Erbe" der Ernemann-Werke ein gewisses Recht hat diese Objektive auch Sonnar zu nennen, da dies unzweifelhaft aus dem Ernostar entwickelt worden ist. Dennoch sind sie keine im im Sinne ihres optischen Aufbaus.
 

Ib) SONNAR Familie
Ernemann wurde 1926 von ZEISS-IKON übernommen und Bertele wurde Designer bei Zeiss. Bereits 1924 war es ihm gelungen das Ernostar f/2 wesentlich kompakter zu gestalten durch Einbau einer verkitteten Gruppe aus 3 Elementen (Triplet). Bei Zeiss gelang ihm durch Verbinden des dritten und vierten Glieds die Zahl der optischen Gruppen auf 3 zu reduzieren und damit unerwünschte Reflektionen wirksam zu begrenzen. Ein Jahr später schaffte er sogar die Lichtstärke um effektiv eine Blendenstufe auf  f/1.5 zu erhöhen durch Verkittung des letzten Elements.

ernostar
sonnar
sonnar
Ernostar f/1.8 (1924):
6 Elemente/ 4 Gruppen
Zeiss Sonnar f/2.0 (1931):
6 Elemente/ 3 Gruppen
Zeiss Sonnar f/1.5 (1932):
7 Elemente/ 3 Gruppen

Dieses Design erwies sich als ungeheuer leistungsfähiger, erfolgreicher Entwurf. Sonnare wurden in allen Kleinbild-Brennweiten von 40-250mm hergestellt, vornehmlich für Messsuchercameras - bis zu einer Lichtstärke von f/1.1.
Sonnar-Typen in der Brennweite 50mm wurden nach dem Krieg hergestellt u.a. von Carl Zeiss Jena, Zeiss-Opton (Oberkochen), Steinheil (Quinon-I 2.0) u.a., in Japan waren die bekanntesten die von Nikon (1.5, 1.4), Canon (1.5),  Zunow und Asahi-Optical.
Es ist schwierig zu definieren was den "Sonnar-Typ" ausmacht weil der Eigentümer des Begriffs Sonnar, die Firma Zeiss, ihn wie anderere auch recht weitgehend verwendet und auch Objektive damit bezeichnet die eigentlich Ernostare sind, und sogar waschechte Gauss-Typen wie das neue 2.0/85 zur Zeiss-Ikon.. Unter Sonnar-Typ versteht man i.A ein vom Triplet abgeleitetes, lichtstarkes Objektiv mit einer geringen Zahl optischer Gruppen (klassischerweise drei) und wenigstens einem dreifach verkitteten Glied.

Zunow
Takumar
Zunow 50mm f1.1 (1956):
9 Elemente/ 5 Gruppen - lichtstärkster Sonnar-Typ
Takumar 58mm f/2.0 (1956)
6 Linsen/ 4 Gruppen - gespaltene Hintergruppe - einziges Sonnar für SLR (Pentax)

Da man heute - bedingt durch die Fortschritte der Vergütungstechnik - viele Elemente auch einzeln stehen lassen kann ohne zwangsläufig das Reflektionsverhalten unannehmbar zu verschlechtern und die Fertigungstechnik bei verkitteten Triplets aufwendig und teuer ist, zudem 50mm-Sonnare wegen ihrer kurzen Schnittweite in SLRs nicht anwendbar sind, sind "echte" Sonnare seit 1960 kaum noch konstruiert worden. Deren Leistung ist denen guter Gauss-Typen jedoch nicht unterlegen.
 
Update: (Juni 2006): Zur Freude aller Freunde des klassischen Sonnars kündigt die Firma Zeiss nach 50 Jahren Unterbrechung ein Sonnar mit den klassischen Daten 1:1,5 f=50mm für die Messsuchercamera Zeiss-Ikon an !



Ic) HEKTOR Typ
Ein heute weitgehend vergessener Typ ist die lichtstarke Triplet-Variante der Firma Leitz, bei der ein bzw. alle drei Elemente verkittet sind. Es waren die ersten lichtstarken Objektive für die Leica Kleinbildcamera, entwickelt von Max Berek, die aber leistungsmässig den Sonnaren nicht das Wasser reichen konnten.

Hektor
Hektor
Thambar 2.2/90mm   (1935)
Hektor 2.5/125mm   (1954)
Hektor 2.5/50mm    (1931)
Hektor 1.9/73mm    (1932)


Id) Primoplan-Typ
primoplan
Ähnlich wie beim Ernostar, jedoch wird die zweite positive Linse verkittet. Man erhält 5 Elemente in 4 Gruppen.
Primoplan 1.9/58mm
Hergestellt von der Firma Meyer, VEB Feinoptische Werke, Görlitz, als Wechselobjektiv zur Exakta (ab 1938), Praktina und für M42.
evar
Ein ähnliches Objektiv wurde hergestellt von den Futura Kamerawerken in Freiburg i.Br.
(Futura Evar 2.0/50mm, Wechselobjektiv zur Messsuchercamera)


Ie) Tachonar Typ
tachonar
Ähnlich wie beim Ernostar, jedoch wird eine dritte positive Linse vor der Blende eingefügt. Hergestellt von der Firma Astro-Berlin mit 1:1.0 f=25mm (16mm Schmalfilmobjektiv) und f=50 und 75mm für 35mm-Normalfilm. Das 75mm Objektiv soll auch Kleinbildformat 24x36mm auszeichnen. [Grittner 1958]

Farron
Farron-Objektiv f/1.2 mit 25° Bildwinkel (~85mm KB) patentiert durch A.W. Tronnier 1955 (US2861500)


If) Röntgen- und Spezialobjektive auf Triplet-Basis
Tachon
Wray
Tachon (Astro-Berlin) - 0.95/50mm - vermutlich Projektionsobjektiv der späten 30'er oder frühen 50'er Jahre Wray (England) 1950 f/0.71 - Objektiv zum Erstellen von 16:1 Kopien von CRT-Röäntgenschirmbildern


II. Symmetrische Achromate

Euryplan
Der erste symmetrische Doppel-Anastigmat wurde 1893 von Emil von Hoegh berechnet und von C.P Goerz, Berlin als Dagor auf den Markt gebracht, ursprünglich mit einem Bildwinkel von 60° und einer Lichtstärke von f/6.8. 1895 brachte Zeiss (berechnet von Rudolph) das achtlinsige Protar heraus, Voigtländer das Collinear, Steinheil den Orthostigmaten etc. Kennzeichen all dieser Objektive war die symmetrische Korrektion: vordere und hintere Objektivhälfte konnten auch für sich verwendet werden. Die Entwicklung dieser Objektivfamilie ging einerseits in die Richtung, die verkitteten Gruppen immer größer zu machen (bis zu 5 verkittete Elemente im Turner-Reich-Anastigmat von Gundlach), andererseits wurde früh versucht die Kittgruppen aufzulösen (z.B. vierlinsiges Celor von Goerz, 1898). Dieser Weg erwies sich als der erfolgversprechendere in Hinblick auf Steigerung der Lichtstärke. Paul Rudolph entwickelte für Hugo Meyer, Görlitz aus dem Euryplan f/6 im Jahr 1918 das (Doppel-) Plasmat f/4, und aus diesem in den 1920'er Jahren das Kino-Plasmat mit Lichtstärken von f/2 (1924), 1926 war es dann mit f/1.5 das lichtstärkste Objektiv der Welt. Es wurde in verschiedenen Brennweiten
pictures: www.leicaism.net
Meyer
Meyer
Hugo Kino-Plasmat

Das Kino-Plasmat (US Patent 1565205; eingereicht 1. Sept. 1922) war das erste (vermutlich ab ca. 1928-1930 und nur auf Anfrage) für die LEICA erhältliche hochlichtstarke Objektiv (50 und 75mm). Es zeichnete den Bildkreis 24x36mm vermutlich knapp, wenn auch zu den Bildrändern hin in bescheidener Abbildungsqualität, aus.

Links:
Hugo Meyer Goerlitz: Katalog von 1930
Mit dem Kino-Plasmat aufgenommene Bilder



 

III. Doppel-GAUSS Objektive


Diese Designfamilie mit ihren vielfältigen Variationen bildet bis heute - obwohl sich für Hochleistungsobjektive allmählich ein Ende abzeichnet - siehe die komplexen Designs der neueren Leica APO-Summicron ASPH. - die dominierende Bauweise für Kleinbildfilm-Standardobjektive höherer und höchster Qualitätsansprüche. Paul Rudolph, Designer bei Zeiss, entwicklte beim Versuch den damals gängigen f/4.5-Anastigmaten zu verbessern, ausgehend vom astronomischen Fernrohr des Mathematiker Gauss, 1896 das symmetrische Planar. Symmetrisch deswegen, weil  Vorder- und Hinterblendenglied für sich korrigiert waren und auch einzeln (Satzobjektiv) verwendet werden konnten - eine Bauart die noch bis in jüngste Zeit in Großformatobjektiven gängig war (z.B. Schneider Symmar - ein Gauss-Objektiv 2. Art, bei dem die Sammellinsen  aus Kronglas innen, die zerstreuenden Linsen aus Flintglas außen stehen)

Gauss Typen
Lee Opic Lens
Gauss Typen 1. und 2. Art
Lee Opic Lens - 1920 - f/2
Planar







(links:)

Zeiss Planar (1897) 1:3.8 f=160mm, DRP-Nr. 9213

6 Linsen in 4 Gruppen

Rudolph's Kunstgriff bestand darin die blendenseitigen, sammelnden Glieder zu verkitten und verschiedene Glassorten zu verwenden, womit er die chromatischen Aberration weitgehend unabhängig korrigieren konnte. Sein Planar war jedoch nicht lichtstark und reflexionsanfällig, und nachdem er 1902 das sehr erfolgreiche Tessar erfand wurde das Konzeption zunächst nicht weiterentwickelt.
Die nächste wesentliche Verbesserung wandte 1920 H.W.Lee der britischen Taylor-Hobson-Company an, der die Lichtstärke auf f/2 erhöhte indem er auf die symmetrische Korrektion verzichtete und unterschiedliche Glassorten benutzte. Daher muß dies Design als Ausgangspunkt des modernen Gauss-Typ gelten. Wirtschaftlich war die Lee Opic Lens jedoch trotz ihres ausreichenden Bildwinkels von 46° (hätte für Kleinbild gereicht) nicht sonderlich erfolgreich, verglichen mit dem Deutschen zusammen mit der Ermanox-Camera vermarkteten Ernostar. Wenig später machten Tronnier bei Schneider-Kreuznach und Merté bei Zeiss die Lee Opic Lens zur Basis ihrer erfolgreichen Xenon- bzw. Biotar-Rechnungen.

IIIa) Gauss-Typen mit 5 Elementen: Unilite Typ
Vereinfachte Bauweise: Das Doppelglied hinter der Blende wird zusammengefasst.

 unilite w. Wrayflex
 Canon RF 50/2.2
Hauptsächlich von der britischen Firma WRAY (mit f/2.0) gebaut - aber auch in jeweils einem Fall von CANON (f/2.2).

Häufiger als nicht so lichtstarke Variante (bis f/2.8) gebaut bei ZEISS (Ost und West) und Schneider - hauptsächlich in den 50'er Jahren beliebt, vor allem - dank der breitflächig guten Auflösung - als hochwertiges Mittelformatobjektiv

Planar
Xenotar
biometar
Planar 100mm
Planar 3.5
Zeiss Planar 2.8/80 für Rolleiflex (1954) - verkittete Frontlinse
Schneider Xenotar 2.8 für Rolleifllex - verkittetes 2. Element
Ähnliches Prinzip beim Carl Zeiss Jena  Biometar 2.8/80
Zeiss Planar 2.8/100 für 6x9 Cameras - verkittetes 3. Glied Planar 3.5/ 75 - kompaktes Objektiv für 6x6
 


IIIb) 6-linsiger Gauss-Typen mit 2 verkitteten Gruppen in der Mitte: XENON- (Biotar)-Typ
Biotar
Carl Zeiss Jena Biotar 2.0/58mm f. Exakta (ca. 1953/ Rechnung von 1936)


Dieser Typ hat als Basis das Planar Rudolphs bzw. der Lee Opic Lens und wird deshalb häufig als "Standard-Planar" bezeichnet - vermutlich auch deswegen weil es der bekannteste Typ war den Zeiss Oberkochen jahrzehntelang unter diesem Namen (typischerweise mit f/2) anbot. Selbst im aktuellen Zeiss-Programm existiert ein solches Objektiv (mit einer konvexen und einer planen Kittfläche; für die neue Zeiss-Ikon RF Camera). Am längsten war er aber unverändert bei Schneider-Kreuznach im Programm (z.B. als 1.9/50mm bis in die 70'er Jahre/ Einstellung des Objektivbaus für Kleinbildfilm).
Die ersten Konstruktionen waren das Schneider'sche f/2 Xenon von A.W.Tronnier (1925) und 1927 von W. Merté das Biotar für Zeiss. Von der Möglichkeit die Kittflächen zur optischen Korrektur auf unterschiedliche Weise zu formen machten die Designer eifrig Gebrauch.
Anscheinend verkaufte sich das Schneider'sche Xenon in den dreissiger Jahren im Kleinbildbereich noch weit besser als das Zeiss Biotar, war wohl auch besser gerechnet und vor allem bei offener Blende leistungsstärker.

 xenon f-2.0
Biotar
heligon
Summar
Schneider Xenon 2.0/50mm  - 1925 A.W.Tronnier: 6-linsiger Gauss Typ - typisch für spätere  f/2.0 Designs
ZEISS Biotar von Merté (1927)

Rodenstock HELIGON 1.9/50mm  -späte 30'er oder frühe 50'er Jahre Leitz Summar 2.0/50mm - 1933  Max Berek - Leicas erstes f/2 Design - 6 Elemente/ 4 Gruppen

Für f/1.4-1.5 erwies sich dieser einfache sechslinsige Typ lange als mangelhaft korrigiert, resultierend in kontrastarmen Bildern, wenn man höhere Ansprüche anlegte - außer mit beschränktem Bildwinkel von nur rund 28° (35mm Kinofilm oder als Portraittele wie beim 75mm Biotar).

Biotar
biotar75mm
ZEISS Biotar f/1.4 50mm"um 1930" -  35mm Filmcameraobjektiv [Naumann] Berühmt ist auch das 1.5/75mm Biotar Kleinbildobjektiv (1938)

Das erste f/1.4 50mm dieser Bauart für 24x36mm das gute Kritiken erhielt, vor allem gegenüber dem mit einer Linse mehr ausgestatteten zeitgleichen Leica Summilux, war das Canon RF 1.4/50mm (1957) - dessen Qualität ebenfalls wahrscheinlich durch den Einsatz neuerer Glassorten möglich war.

 
IIIc) Doppel-Gauss-Typ mit 7 und mehr Linsen, Erweiterter XENON-Typ
Dieser Typ entstand durch Anhängen einer hinteren Linse an das 6-linsige XENON, zur besseren Korrektion und Gewinn einer Blendenstufe Lichtstärke. Das erste KB-Objektiv dieser Konstruktion war das Leitz Xenon 1936 - ein Lizenzbau von Schneider und Konkurrent des Zeiss Sonnars - den es leistungsmässig aber nicht erreichte. Erst mit der Verfügbarkeit neuerer Glassorten konnte die Bauweise befriedigen und wurde in den 1960'ern eine Weile für f/1.4-Standardobjektive gewählt (auch für 1.2/58 Canon 1962).

Xenon 1.5 1929 Links: Xenon 1929 mit Erweiterungslinse vorne: Lichtstärke f/1.5 - für die Askania Filmcamera in geringen Stückzahlen produziert (Design A.W. Tronnier)
Rechts: Leitz Summarit 1.5/50mm (1949) - nach dem Krieg (patentfrei!) von Leitz weitergebautes XENON (1936)
7 Elemente/ 5 Gruppen
Summarit f/1.5
 Planar 1.4-55  Pancolar  Nikkor-S
Ähnliches Prinzip beim Nikkor-S (SLR) 1.4/50 von 1962.
Zeiss 1.4/55mm - 1961 (Contarex )
Das erst lichtstarke "Nicht-Sonnar" Kleinbildobjektiv von Zeiss war ein ziemlich einfacher Xenon Typ: 7 Elemente/ 5 Gruppen
(Berger 1959; DE1170157)
Ähnliches Prinzip beim Zeiss Jena Pancolar 1.4/55mm - Objektiv für die Nobelcamera der DDR Pentacon Super (1968)

Der 7-linsige Doppel-Gauss-Typ mit zwei Hinterlinsen war aber erst der Anfang. 1930 war es wiederum A.W.Tronnier bei Schneider/ Kreuznach der ein 8-linsiges f/1.2 Objektiv (sphärisch, chromatisch und astigmatisch korrigiert) mit drei angehängten Hinterlinsen patentierte (DE565566). Nach dem Krieg wurde es sogar ganz ähnlich in Serie gebaut - und zwar von NIKON. 1934 patentierte Horace Williams Lee für Kapella Ltd. (Leicester) Objektive mit f/1.1. und f/1.0 mit 7 Linsen und verdoppelter Frontlinse.

 SuperXenon1930
 Lee lens 1934
 Angineux
Schneider-Kreuznach Patent f/1.2 Nr. 565566 (Albrecht Wilhelm Tronnier 1930) - 8 Linsen in nur 5 Gruppen - ein bahnbrechender, fast vergessener Entwurf. Wirklich schade dass Schneider nach dem Krieg aus diesem Entwurf nichts machte! - aber NIKON tat es!
Lee Lens f/1.1 1934 mit verdoppelter Frontlinse - der Zeit (unvergütete Gläser) weit voraus, und nach dem Krieg so ähnlich gebaut von CANON 1961 als f/0.95/50mm
Der Franzose Pierre Angenieux patentierte 1953 ebenfalls ein f/1.0-Objektiv (US2701982)

Mit den neuentwickelten, nach dem Krieg verfügbaren Glassorten zeigte sich bald dass mehr als 7 Linsen für ein f/1.4-Objektiv selten nötig sind, und das Rennen der lichtstärksten Kleinbildobjektive der Welt machten die Japaner leider unter sich aus...

Auch zeigte sich dass es für f/1.4-Objektive genügte eine der beiden mittleren Gruppen zu verkitten - meist die hintere (Leica 1962, Pentax 1965, Canon 1968). Damit waren die Ultron Typen auf der Überholspur, und haben bis heute die Planar Typen (mit 2 Kittflächen) fast verdrängt.


IIId) Gauss-Typ mit verkitteter Frontlinse - Summitar-Typ
Dieser aufwendige Typ kam in den 50'er Jahren bisweilen vor - heute selten (7-Linser) - hauptsächlich für SLR-Objektive hoher Lichtstärke (1.4)

Summitar
Nokton
first Summicron
Schneider Cine Xenon
Leitz Summitar 2.0/50mm - 1939 - Max Berek
7 Elemente/ 4 Gruppen - Summar mit vergrössertem, verkittetem Frontelement
Voigtländer Nokton 1.4/50mm  - 1951 - A.W. Tronnier
7 Elemente - 5 Gruppen
Einzigartiges Design mit verkittetem Frontelement uns "Luftlinse" zwischen 3. und 4. Element
Leitz Summicron (first generation) 2.0/50mm - 1953 - 7 Elemente/ 6 Gruppen - Das verkittete Frontelement des Summitar ist durch eine "Luftlinse" aufgelöst/ höchste Anzahl optischer Gruppen seinerzeit -- Streulicht !
Ein neueres Beispiel diese Konstruktionsprinzips ist das Schneider Cine Xenon 1.4 (1971)

Eine Variante dieser Bauart ist die Verdopplung der Frontlinse durch ein weiteres positives Element. Diese Bauart kommt noch häufiger vor (für f/1.4 bis f/1.2 Objektive), auch als Achtlinser.


IIIe) Aufgelöste Sechslinser/ Ultron-Type
Mit verbesserten Glassorten und vergüteten Gläsern konnten die verkitteten Gruppen teilweise wieder aufgelöst werden. Bekannt geworden durch das Ultron ab 1950 (zunächst mit kurzer Schnittweite, für Prominent Messuchercamera). Allerdings hatte A.W. Tronnier bereits 1937 für Schneider-Kreuznach ein ähnliches Objektiv konstruiert. Bis heute die häufigste Bauweise für 50mm Objektivemit Lichtstärken bis f/1.8

ultron

Voigtländer Ultron 2.0/50mm in Compur Zentralverschluss - 1950 - A.W. Tronnier
6 Elemente/ 5 Gruppen
 Kleinbild-Xenon

westagon
Oben: "Kleinbild-Xenon" von Schneider-Kreuznach (Design A.W.Tronnier 1937). Hier ist die Kittfläche noch plan
Oben: Westagon 2.0/50mm (Isco, Göttingen) - nahezu apochromatische Farbkorrektion (Brandt)
55mm 1.8 takumar
Links: Pentax Takumar 1.8/55mm - 1957 - Ryohei Suzuki
wahrscheinlich durch das Ultron oder Westagon beeinflusst.
Wurde ein Millionseller für Pentax, in f/2.2, 2.0 und 1.8 gebaut!

Es gab auch Versuche das ULTRON durch Auflösen der hinteren Kittgruppe zu vereinfachen (5-Linser mit 5 einzeln stehenden Gliedern), z.B. durch PENTAX (55/2.2 von 1957) - die jedoch bald wieder eingestellt wurden, vermutlich weil die Korrektion für die f/2-Klasse nicht ausreichte.

IIIf) Erweiterter (7-linsiger) Ultron-Typ

Mit der 6-linsigen Ultron-Bauweise lassen sich keine Objektive um 45° Bildwinkel mit höheren Lichtstärken als f/1.8 vernünftig rechnen. Dazu ist es erforderlich ein weiteres Glied anzuhängen. Das Carl Zeiss Planar 1.4/50mm und das Canon FD 1.4/50mm, beide 1972-73 sind beides (optisch hervorragende und bis heute den Leistungsstandard definierende) Vertreter mit 7 Linsen in 6 Gruppen.


Zeiss Planar 1.4/50mm 1972/73 (Dr. Glatzel)
Canon FD 1.4/50mm - der optische Aufbau  des noch heute gebauten Objektiv zur EOS ist identisch
Xenon 1932 Rechts: A.W. Tronnier hatte bereits 1932 ein XENON mit f/1.5 mit 7 Elementen in 6 Gruppen berechnet. In Serie ging aber der oben unter IIc) gezeigte Typ.

Wahrscheinlich genügten die verfügbaren Glassorten und die noch nicht erfundene Vergütungstechnik noch nicht zu befriedigendender Leistung. Das sah man ja am mittelmässigen Xenon (Summarit) zur Leica-III, das eine Kittfläche mehr enthielt. So machte das von Bertele gerechnete SONNAR, das die 7 Linsen in bloß 3 Gruppen aufstellte, für die nächsten 30 Jahre das Rennen...





IIIg) Spezielle Gauss Typen


Die Firma Ernst Leitz Wetzlar hatte 1934 (nach anderen Quellen erst 1936) ein Summar 7.5cm mit der Lichtstärke 1:0.85 für Röntgenschirmbildaufnahmen im Programm. Offenbar wurden nur sehr wenige produziert; es existieren nur sehr wenige Bilder. Zumindest ein Exemplar wurde für Filmcamera(s) (um-) gebaut. Der Frontlinsendurchmesser betrug ungefähr 15cm.
Es handelt sich um einen 8-linsigen Entwurf der seiner Zeit sehr voraus war - er ähnelt hochlichtstarken Designs der frühen 60'er Jahre - und zeigt dass auch unter Max Berek sehr wohl komplexere Konstruktionen berechnet wurden. Mit den neuen Gläsern nach dem Krieg hätte man sicher mehr daraus machen können; leider entwickelte man in diese Richtung nicht weiter. Design Albert Zimmermann

Summar Summar
Quelle: Obering. G. Zimmermann, Wetzlar: Die relative Öffnung photografischer Objektive und ihre Grenzen.
Heft 1 (Februar) 1957 der "Informationen für den Photofachhandel", Herausgegeben von ERNST LEITZ GMBH WETZLAR.


"(1949) Frage: Herr Professor, ich habe gehört, daß zur Leica bereits Objektive mit einer Lichtstärke 1:0,85 errechnet worden sind. Warum werden diese Objektive nicht allgemein geliefert?
Max Berek: Das war eine Sonderausführung für die Röntgenschirmbildphotographie. Für allgemeine Aufnahmen kommen solche Lichtstärken natürlich nicht in Betracht. Allein die Tiefenschärfe würde bei einer solchen Öffnung so gering sein, daß das Objektiv bei räumlichen Objekten nicht verwendbar wäre. Selbst bei der Röntgenschirmbildphotographie hat sich gezeigt, daß man das Objektiv mindestens auf 1:1,2 abblenden muß, um eine bessere Detailschärfe zu erzielen."

Im Cameramuseum Johannesburg (Südafrika) wird ein Carl Zeiss Sonnar aus den 30'er Jahren aufbewahrt, ebenfalls mit den Daten 7,5cm f/0,85 das für eine Contax adaptiert wurde. Vermutlich zeichneten beide Objektive das volle Kleinbildformat (24x36mm) aus.

Röntgenobjektive für Kleinbildfilm wurden in den 30'er bis 50'er Jahren zum Abfotografieren von Röntgenschirmen (Lungen-/ TBC-Reihenuntersuchungen) benutzt weil Kleinbildfilm billiger war als Röntgenfilm in Lebensgröße. Die Cameras waren meist in Vorrichtungen fest eingebaut und hatten keine Fokussiereinrichtung. Wegen der dunklen Röntgenschirme waren sehr lichtstarke Objektive erforderlich.

xray Zeissjena
Carl Zeiss Jena Röntgenschirmbildobjektiv 0.85/55mm
8 elements/ 6 groups / zero film-to-flange distance - Auszeichnung 24x24mm

0.7 Planar  planar 0.7 in Compur shutter
Carl Zeiss Planar 0.7/50mm in Compur Verschluss (NASA Objektiv)
Der Sage gemäß verwendete Stanley Kubrick dieses Objektiv für Innenraum- und Kerzenschein-Szenen in seinem Film "Barry Lyndon" (1972) zusammen mit einem Kollmorgen- Weitwinkelvorsatz (ca. x0,7) an seiner Mitchell BNC (35mm) Movie Camera. Er instruierte seine Schauspieler sich nur sehr langsam zu bewegen um dem Cameramann zu ermöglichen ihre Gesichter im hauchdünnen Bereich der Tiefenschärfe zu halten.Überdies unterbelichtete er den gesamten Film um ein Blendenstufe was die besonders satten Farben dieses cinematografischen Meisterwerks erklärt.

Etwas weniger lichtstark (und gar nicht so selten) war das Schneider TV-Xenon (1971) mit der Lichtstärke 1:0.95 (8 Elemente/ 6 Gruppen)
TV-Xenon


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