Die lichtstärksten 85mm Objektive
für Kleinbild-Meßsucher-Cameras
Frank Mechelhoff
Update 20. Mai 2006
(English Language Version)
Canon 1.5-85mm 1952
Canon P mit Serenar 1:1.5 f=85mm (1952) .. das 139. der recht kleinen ersten Serie.... 754g schwer.
Dahinter ein 1.8/85mm von 1962, auch recht selten - 1/3 kürzer und leichter, ebenfalls 58mm Filter, an einer modernen Voigtländer Bessa-R...


Natürlich sollten auch die Portraitobjektive (Teleobjektive mit 85-100mm Brennweite) möglichst lichstark sein - was bei diesen ja auch mehr Sinn macht, jedenfalls theoretisch: bessere Available-light-Fähigkeit, Bildwirkung der geringere Schärfentiefe bei offener Blende, kürzere Verschlußzeit (geringere Verwacklungsgefahr). Die Nachteile sind immenses Gewicht (und Kosten), Fokussierungspräzision an der Grenze zum technische möglichen, oder zufälligen (hoher Ausschuß unscharfer Bilder) und - bei RF-Cameras, wie ich finde der wesentlichste Nachteil - Unmöglichkeit die Tiefenschärfe auch im Sucher zu kontrollieren. Daher blieben die Superlinsen mit 1.5/85 von Leica, Canon und Nikon Exoten - zumal sie abgeblendet auch schärfemässig den f/2.0 oder f/2.8 eher unterlegen waren. Die Designs waren einfach überfordert. Schön sind sie trotzdem.
Lichtstarke Portrit-Teleobjektive dieser Klasse sind - man muß es so deutlich sagen - etwas für RF-Extremisten und SLR-Hasser - oder Snobs. Wer sich eins zulegen will um es auch nur gelegentlich zu benutzen -- diese Objektive benutzt man per se nicht allzuoft, leider, denn je mehr Praxis man mit ihnen erwirbt desto eher geraten die Bilder erfolgreich -- sollte wissen dass er sich an die Grenze des Machbaren und Benutzbaren begibt. Eigentlich soll man ja damit scharfe Negative oder Dias erzeugen können. Das erwartet man ja sogar von einer Billigcamera, nicht wahr? Von einem Objektiv das über 1000 € kostet, vielleicht noch ein bißchen mehr... Und eine Camera mit langer effeketiver Meßbasis (60mm oder mehr) braucht man erst recht. Stark verkleinern darf der Sucher nicht, sonst lässt es sich nicht mehr scharfstellen und der Ausschnitt ist auch zu klein. Also mindestens der 0,85x-Sucher. Ganz abgesehen davon dass manche dieser Super-Linsen auch dejustiert sein können -- oder vielleicht nie korrekt justiert waren. Für unendlich, im Mittelbereich, im Nahbereich, oder vielleicht auch in allen.. am besten der SLR-Hasser hat eine preiswerte und tüftelige Camerawerkstatt um die Ecke... 

Leitz Summarex
Canon 1.5 85mm Nikkor f/1.5 8.5cm in LTM
Summarex design Canon/ Serenar 1.5/85
Nikkor SC 1.5 85 lens design
Pionier: LEITZ Summarex (1943) - der erste superlichstarke Gauss-Typ von Leitz. Gewiss besser als sein Vorgänger Hektor 1.9/ 73mm. Aber extrem gekrümmte Linsenradien - es erscheint kaum vorstellbar dass ein derart strapaziertes Design sehr hohe Leistungsanforderungen erfüllen kann. Sehr schwer - über 700g. Siehe Link: Erwin Puts about LEICA telephotos and evolution (großes pdf- file)
Japanischer Herausforderer Nr. 1: Das superschnelle CANON Portraitobjektiv - 1952, dies ist die zweite, schwarz-chrome Serie - eine Art Sonnar aber mit aufgespaltenem zweitem Triplet. Vielleicht aber auch aus dem 2/85 entwickelt - einem waschechten Gauss-Typ. Insgesamt harmoinisch wirkendes Design. Schwer und ziemlich frontlastig (730g). Etwas häufiger zu finden als die erste "chrome" Serie. Siehe auch hier Canon Museum

Alle drei Objektive verwenden 58mm Filter - verglichen mit den 48mm des Nikkor-PC 2/85.. hm hm... ob sie wirklich f/1.5 lichtsatrk sind... ??
Hier kommt Herausforderer Nr. 2: Nikkor S.C. 1.5/ 8.5cm - 1953; eins der ersten (wenn nicht das erste)  schwanrze Nikon Objektiv - und meiner Ansicht nach das schönste der drei. Aber ebenfalls ein überfordertes Design. 533g - etwa so schwer wie ein Nikkor-P.C. 2.5/105. Dies ist ein reiner  Sonnar Type (das lichtstärkste 85mm Sonnar der Welt) - deswegen aber auch kompakt - das Design sieht fast aus wie das ZEISS 2.0/ 8.5cm
Leider baute ZEISS in dieser Zeit kein echtes Konkurrenzprodukt um mitzuhalten - sie brauchten 25 Jahre um gleichauf zu ziehen!
Die komplette Geschichte dieses Objektivs ist hier nachzulesen.

Bilder des Canon 1.5/85 (1952) im Vergleich zum 1.8/85 (1961)

1.5/85mm @1.5
1.5/85 offene Blende .sehr weich mit deutlichem Lichtabfall zum Rand, ausreichende Schärfe

1.5-85 @4
1.5/85 Blende 4 - Lichtabfall verschwunden, deutlich gesteigerter Kontrast

1.8/85 open
1.8/85 offene Blende: etwas ruhigeres Bookeh als beim f/1.5, kühlere Farben, gleicher Lichtabfall zumRand hin

1.8/85 @4
1.8/85 bei f/4: sehr augeglichenes Bild, deutlich kühlerer Ton als beim Vorgängermodell

Ausschnittvergrößerungen
1.5/85 wide open
1.5/85 @ f/1.5
1.5/85 @ 4
1.5/85 @ f/4
1.8/85 open
1.8/85 @ f/1.8
1.8/85 @ 4
1.8/85 @ f/4




ENNASTON 1.5/85mm

Ennaston
Das Ennaston der Enna-Werke in München (mit Leica Schraubgewinde) wurde besonders für die Theater- und Bühnenfotografie angeboten. Hans-Martin Brandt schreibt hierüber in "Das Photo-Objektiv" (1956):  "... das  Hinterglied des Sechslinsers (Gauss-Typ) ist in drei freistehenden Linsen aufgebaut... Gestochene Schärfe in der Bildmitte, beste astigmatische Korrektion bei ausgeglichener Bildfeldebnung, behobene komatische Restfehler und günstige Lichtverteilung über das gesamte Bildfeld bei guter chromatischer Korrektion ergeben die optische Leistung dieses Objektivs."

Die Produktionszahlen dieses Objektivs dürften recht gering gewesen sein (um 1000)

CARL ZEISS JENA Biotar 1.5/75mm

Das 1938 gerechnete Objektiv ist der Pionier dieser Serie lichtstarker Portrait-Objektive unter f/2.0. Es war das lichtstärkste Objektiv zur KINE-EXAKTA, wurde bis 1945 in rund 1000 Exemplaren gebaut, nach dem Krieg dann in größerer Stückzahl in regulären Serien für Exakta, Praktina und M42-SLR.

Serie 1
Biotar 1.5/ 7.5cm f. Exakta (ohne T; S/N 2688175) Serie 1 (Kriegsproduktion)

Biotar
klassischer Gauss-Typ (Planar):
6 Linsen in 4 Gruppen

Biotar Contax
Biotar LTM
LTM Biotar
Sehr selten: Biotar 1.5/ 7.5cm f. Contax Rangefinder (ganz oben). Gebaut wurde eine Serie von 225 Stück. Einige dieser Objektive wurden für Leica/ LTM umgebaut. Unten S/N 3320814.
Ca. 1947, mit T-Vergütung.  Ab 1950 Brennweitenangabe von cm auf mm umgestellt
Biotar
Biotar 1.5 / 7.5cm Serie II - die schönste Form - ab ca. 1947 mit T-Vergütung. Photo Kensetsu-San

Biotar
Ein sehr schönes Biotar Serie III - gebaut ab 1953 -
Photo von J.Andrzej Wrotniak (
Exakta Website)

BiotarBiotar 1.5/75mm (Ser. III) in M42 mount  (Photo Cameraquest)

Es hat ebenfalls 58mm Filter, ist kleiner als ein Leitz Summarex (67mm Länge, 63mm Durchmesser) und dank Aluminiumfassung beträchtlich leichter (erste Version 416g). Es fokussiert bis knapp unter 1m und ist durch die Geradführung (doppelte Fokussierungs-Helix) das am besten zu handhabende Objektiv dieser Klasse. Tatsächlich ist es die erste Version nicht viel größer als das eine Blendenstufe lichtschächere 85mm Sonnar. Es zeichnet sehr weich bei offener Blende - für Moviefilmobjektive, aus denen die Biotare entwickelt wurden, sind die Schärfeanforderungen geringer und es brauchte bloß einen um fast die Hälfte kleineren Bildkreis auszuzeichnen. Nichtsdestotrotz war das Biotar mit seiner weichen Charakteristik ein geschätztes Objektiv für Portrait- und Aktaufnahmen. Allerdings sorgte die schlechte Rohstofflage der Sowjetzone, spätere DDR für schwankende Qualität. Und die zweite Version von 1953 machte das Objektiv nicht unerheblich schwerer (530g).

Leider versäumte man es weiter zu entwickeln und die Spitzenstellung der Deutschen Photoindustrie sichtbar zu machen - und gab ohne Not Boden an die Japaner ab. Erst 1974 baute ZEISS (Oberkochen) dann ein 1.4/85mm - das mit 7 Elementen in 5 Gruppen noch verhältnismäßig einfach aufgebaut war. Mit Fug und Recht kann man hinterfragen warum ZEISS nicht schon 10 Jahre vorher mit so einem Spitzenprodukt aus der Defensive heraustraten....

Eine vernünftige Firma wie CANON ging dann 1962 auch einen Schritt zurück und brachte ein um 1/3 leichteres, excellentes 1.8/85 heraus, eins meiner Lieblingsobjektive das ich im 2. Teil meiner CANON-Sammlung vorstelle.. das bis in die 1980er Jahre in verschiedenen Anschlüssen auch für SLR produziert wurde. Um es etwas pointiert zu sagen: Wer mit einem hochlichstarken Teleobjektiv wirklich Bilder machen will, nimmt besser eine SLR dazu - und vielleicht am besten eine mit Autofocus...


PREISE damals und heute
Das CANON SERENAR 1.5/85 war mit 238,00 USD im Jahr 1954 das teuerste Objektiv im CANON-Programm (abgesehen vom exotischen 8/800mm). In heutigen Preisen (2005) wären das inflationsbereinigt 1.730 USD. Eine Camera (CANON IVSB nach Art der Schraub-LEICA-III) kostete mit 1.8/50mm Objektiv etwa denselben Betrag.
Die Preise von LEICA auf dem amerikanischen Markt waren damals etwa um 1/4 höher (heute kosten sie ein vielfaches von CANON). CONTAX/ CARL ZEISS war gar noch etwas teurer.
Das Leitz Summarex 1.5/85 kostete 1954 in USA 362 USD - für Angehörige der Streitkräfte 183 USD - heutiger Sammlerpreis etwa 1.200 USD. Das seltenere NIKKOR wird etwas gleich hoch gehandelt, das CANON  etwas niedriger. Das Biotar ist mit 300-500 USD je nach Anschluß verhältmäßig das günstigste.
Erst nach Vorstellung der Leica M3 (1954) wurde diese dann zur teuersten Kleinbildcamera am Markt.
Preisübersicht 1956 in den USA



HEUTE

Summilux-M 1.4/75mm
Summilux-M 1.4/ 75mm (Gewicht 580g) Filter 60mm - Design 1980

LEICA produziert heute noch das Summilux-M 1.4/75 als ausgesprochenens Spezialistenobjektiv für die Leica M. Das Design ist von 1980 und steht heutzutage leistungsmäßig im Schatten der neukonstruierten APO-Summicron-M ASPH. 2/90mm, und des ganz neuen 2/75. Es dürfte verkaufsmäßig kaum eine Rolle spielen (3.000 EUR Listenpreis). Auf ein Neudesign kann man eigentlich nicht mehr rechnen. Die hochlichtstarken Portrait-Teleobjektive sterben aus - die für Rangefinder Cameras sind die seltenste dieser Spezies geworden.

Aber Fotografie mit Film ist ja heute ebenfalls schon Liebhaberei geworden !

Das alte Summarex 1.5/85 - wegen der längeren Brennweite relativ lichtstärker - ist oftmals nicht präzis zu fokussieren, erst recht nicht an allen Cameras. Ewin Puts schreibt in seinen Objektivtests für LEICA, es hätte auf f/11 abgeblendet keine bessere Leistung als das neue asphärische APO-Summicron-M 2/90 bei offener Blende!

wie es begann: Die ersten lichtstarken Objektive für 35mm Film
The Race for the fastest - 50'er Jahre - die Japanische Herausforderung
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