Das Rennen um die lichtstärksten Objektive
Frank Mechelhoff
update 8. Jan. 2006
(English Language Version)

Zum Teil 1 (lichtstarke Objektive der Vorkriegszeit)

Vor dem Krieg war Zeiss mit dem Sonnar 1:1.5 f=5cm im Kleinbildbereich das Maß der Dinge, insbesondere nachdem 1936 die Vergütung erfunden war. Es gab einzelne noch lichtstärkere Objektive für Spezialzwecke (z.B. Projektion) wie das berühmte TACHON der Firma Astra in Berlin, ein erweitertes Triplet. Die lichtstärksten Objektive kamen alle aus Deutschland. Die CONTAX-II war wegen ihres langen Messuchers die geeignetste Camera diese auch zu fokussieren. Sie hatte in den späteren dreissiger Jahren einen Ruf wie Donnerhall, war teurer als LEICA und ist noch heute so begehrt und (wenn man eine findet mit funktionierendem Verschluß) eine so vorzügliche User-Camera dass sie sogar gefälscht wird (umgebaute russische KIEV-4). Nach dem Krieg wurde sie vom Hersteller ZEISS-IKON leider nicht hinreichend weiterentwickelt - dafür aber von NIKON... Dass auch die Sonnare gefälscht werden sei hier nur nebenbei erwähnt...

Contax-II

Nachdem die ersten Farbfilme zwischen 6 und 12 DIN Empfindlichkeit hatten (mithin 5-6 Blendenstufen geringer als heutzutage) verlangten die Fotografen in viel stärkerem Masse nach lichtstarken Objektiven als man sich das heutzutage vorstellen kann. Ausserdem war die Blitztechnik noch nicht so fortgeschritten, es gab keine Aufhellblitze und überhaupt galt Blitzen als unfein für den ambitionierten Hobbyfotografen - und gilt es für manche noch heute... Selbstverständlich gab es erst recht keine Automatiken, Autofocus u.ä. Neben der Notwendigkeit ging es den Herstellern aber natürlich auch damals schon um Marketing-Erwägungen und Prestige, und die Fotografen liessen sich davon nur allzugern anstecken. Die Deutschen Camerahersteller waren bis in die 40'er Jahre an diesem Rennen übrigens beteiligt oder sogar führend - z.B. LEICA Summarex 1.5/85 von 1943 - und erst später erklärten sie, man wolle diese "sinnlosen Spielereien" der Japaner nicht mitmachen...

ZEISS Sonnar 1.5/5cm
ZEISS Sonnar 2/8.5cm

Deswegen gab es objektiv Gründe, nach 1945 das Zeiss Sonnar  überall nachzubauen und weiter zu entwickeln. Große Teile der Zeiss Objektivfabrik in Jena wurden von der Sowjetunion demontiert und in Russland wieder aufgebaut - dort baut man die Sonnare noch heute weitgehend unverändert weiter. NIKON beschäftigte angeblich hunderte von Frauen mit Rechenschiebern um die Objektivrechnung zu verbessern und brachte nach dem 1.5/5cm ein 1.4/5cm heraus. Ich weiss nicht ob man die Verbesserung je nachgemessen hat, aber das Objektiv war ein wirtschaftlicher Erfolg - seitdem wird 1.4 als volle Blendenstufe zwischen 1 und 2 angesehen anstatt vorher 1.5 - und es wurde in allen damals gebräuchlichen Kameraanschlüssen (neben Nikon auch Contax und Leica) hergestellt. Es gilt noch immer als sehr gut, besonders im Nahbereich.
Zur dieser Zeit wurden die ersten lichstarken Planar-Designs gebaut und begannen den Sonnar-Typen allmählich den Rang abzulaufen. Dank der verbesserten Vergütungstechnik war es nun nicht mehr nötig die Glaselemente in möglichst wenige Gruppen zusammenzufassen, man konnte sie auch durch Luft-Zwischenräume trennen ohne qualitätsmindernde Reflektionen (Streulicht) zu befürchten.

  Canon 1.5/50
Voigtlaender Nokton 1.5/50mm (for Prominent RF)
Zunow 1.1/5cm (LTM)
Nikkor-N 1.1/5cm
Canon 0.95/50mm (LTM)
Seiki Kogaku Serenar 1.5/50 (Canon) 1947 - ein Sonnar-Clone für viele...
Voigtländer Nokton 1.5/50mm (Prominent RF)
Zunow 1.1/ 5cm (LTM)
Nikkor-N 1.1/ 5cm (Nikon RF)
Canon 0.95/50mm (LTM) - 1961
 Fujinon 1.2/50mm (LTM)
 Konica Hexanon 1.2/50mm (LTM)
 Tachon 0.95/52 Astro-Berlin
Leica Noctilux 1.0/50mm
Canon EOS lens 1.0/50mm
Fujinon 1.2/50mm (LTM)
Konica Hexanon 1.2/50mm (LTM)
Tachon 0.95/50 Astro-Berlin (35mm-Kinetomagraphie - 1950?)
Leica Noctilux 1.0/50mm (Leica-M) - 1976
Canon EOS lens 1.0/50mm - 1989

CANON brachte 1956 das 1.2/50mm, ein 7-Linser Planar-Typ, das lichtstärkste Objektiv für Kameras des Typ Schraub-Leica (M39). An kompakten Cameras wirkt es massiv und eindrucksvoll aber nicht unharmonisch. Zunächst recht teuer, schaffte es Canon den Preis in der Serienproduktion zu halbieren (das hätte wohl keine Deutsche Firma gemacht!) Die optischen Leistungen waren eher mittelmässig. Kontrast und Feinschärfe lassen zu wünschen übrig. Auch an einem anderen Detail zeigte sich das zunehmende Selbstbewusstsein der Japaner und Ende des "Kopierstrebens": Das 1.2/50mm ist eins der ersten zweifarbigen (schwarz-silbernen) Objektive. Canon und Nikon brachten beide diesen Trend voran. Mit dem zunehmenden Schwarz für Objektive und Kameras brachten die Japaner in den späten 1950er bis 1960er Jahren eine Mode des "professionellen" Looks auf die bis heute gültig ist. Die deutschen Firmen wie Zeiss und Leitz setzten noch lange auf den "chrom" Look.

Nikkor 1.1 5cm an einer Nikon SP
Nikkor-N f/1.1 5cm an einer Nikon SP (Photo von www.cameraquest.com)

ZUNOW setzte dem noch eins drauf mit dem 1.1/5cm, dem lichtstäksten jemals hergestellten Sonnar-Objektivtyp (9-Linsen/ 5 Gruppen). NIKON brachte daraufhin ebenfalls ein 1.1/5cm NIKKOR-N (Planar Typ: 9-Linsen/ 6 Gruppen). Zusammen mit dem Zunow das schönste, seltenste und heutzutage teuerste der Lichtriesen. Es hatte nur einen (im praktischen Gebrauch nicht ganz unerheblichen) Nachteil: es war so schwer dass das Innenbajonett leicht zerstört wurde, wenn man es mit dem Cameraeinsteller fokussierte! Deshalb entstand eine zweite Serie mit Aussenbajonett und eigener Fokussierung. Damit wirkte es auch aeusserlich wesentlich harmonischer.

Zunow 1.1 5cm
Zunow f/1.1 5cm an einer Leica-IIIf - schnellstes Objektiv für Schraubleice (M39) (Photo von www.cameraquest.com)



Natürlich sollten auch die Portraitobjektive (Teleobjektive mit 85-100mm Brennweite) möglichst lichstark sein - was bei diesen ja auch mehr Sinn macht, jedenfalls theoretisch: bessere Available-light-Fähigkeit, Bildwirkung der geringere Schärfentiefe bei offener Blende, kürzere Verschlußzeit (geringere Verwacklungsgefahr). Fortsetzng hier....


Roncalli_with_f/0.95
2005, mit Canon 7/ 0.95/50mm bei f/0.95, auf HP5 (400 ASA), available light...

Bei den Standardobjektivben hält CANON mit dem 0.95/50mm indes bis heute den Rekord. Es ist vom Design her dem 1.2/50 ähnlich, jedoch sind die Linsen noch extremer gewölbt. Möglich wurden diese Objektive durch neuentwickelte Glassorten die damals nur Japanischen Firmen bekannt waren. Einige davon waren schwach radioaktiv und zeigen heute einen leichten Gelbstich. Die Lichtriesen zeigen auch die Grenzen der damaligen Einschichtvergütung. Bei 4 und mehr Linsengruppen war der Lichtverlust und das dadurch entstehende Streulicht sehr erheblich! Man brachte das erst in den Griff mit den modernen Mehrschichtvergütungen. Canon versuchte das zu umgehen indem es seinen Lichtriesen bloß als 7-Linser baute. Erst in den letzten 10-20 Jahren baut man in der Objektiventwicklung auf überwiegend einzeln stehende Elemente und konstruiert entsprechend.

Weil in den späten 60er Jahren die Filmentwicklung endlich die geforderten hochempfindlichen Farbfilme liefern konnte, ging das aufwändige Rennen um die lichtstärksten Objektive zuende. Damals entwickelte man sie weil die gut gehende Geschäfte den japanischen Herstellern erlaubten viel Geld in die Forschung zu stecken und das technisch mögliche auszuloten, unabhängig davon ob die Kunden es auch honorierten. Heute, da Film ausstirbt, wird man diese herrlichen, überdrehten Zeiten nie mehr wieder sehen. Schon damals wurde von Skeptikern eingewandt dass der Aufwand an Kosten und Gewicht doch viel zu hoch sei für den Gewinn einer einzigen Blendenstufe von f/1.4 bis 1.0... womit sie objektiv nicht ganz unrecht hatten...

Canon RF 0.95/50 im Vergleich mit FD 1.4/50
Ein "Chromring FD" 1.4/50mm ist kein besonders kompaktes 50er für die SLR - wirkt im Vergleich mit dem RF 0.95/50mm aber zierlich - Wenn Sie aus dieser Serie ein 1.2-55 ASPH./ AL übrig haben -das ist noch größer - schreiben Sie mir...  Auch erkennbar dass die Canon-7 ein ganz schöner Brocken ist - keine zierliche Messsucherkamera vom Format einer Leica-M4... damals waren aber die Cameras mit eingebautem Belichtungsmesser alle größer... und grösser als eine M5 ist sie definitiv nicht.

Ist das "Race for the fastest" damit zuende?

Nicht ganz. Wer von den Herstellern auf sich hält, hat zumindest ein f/1.2 im Programm. Leica baut seit 1976, also auch schon eine halbe Ewigkeit unverändert, sein Noctilux für die Leica-M - dessen Bildergebnisse natürlich schon wegen des Namens und des hohen Preises vorzüglich zu sein haben. CANON baut seit 1989 wieder ein 50mm Objektiv mit f/1.0 für die EOS, mit 11-Linsen in 9 Gruppen, Autofocus/USM und mehr als 300g schwerer als die alte "dream lens"...3x soviel wie ein 1.4/50, das mit USM noch größer und unhandlicher geworden ist als das oben als "schlechtes Beispiel" abgebildete FD-Objektiv --- Heutzutage kostet das Canon USM 1.0/50 achtmal soviel wie das 1.4 - womit die Frage für die meisten Fotografen geklärt sein dürfte.

wie es begann: Die ersten lichtstarken Objektive für 35mm Film
Fortsetzng: Die lichtstärksten 85mm Teleobjektive
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